Nine Dots Studio, bisher für zwei Indie-Games bekannt, hat sein erstes Open-World RPG herausgebracht. Da dieses Genre in der Menge der Videospiele doch eher selten vertreten ist, macht jedes neue Release besonders neugierig. Der nachfolgende Test soll klären ob Outward hält, was es verspricht.
Nicht “open” für alle(s)
Outward gibt sich auf den ersten Blick als klassisches 3rd-Person RPG. Spieler des Genres finden sich vom ersten Klick an zurecht. Es gibt zwar ein Tutorial, dieses ist jedoch optional – und das ist gut so.
Was auf den ersten Blick auffällt: Die Spielgrafik liegt irgendwo bei Gothic 3. Wer von Witcher optisch verwöhnt ist, mag enttäuscht sein. Outward versteht sich selbst als Retro-RPG. Das Spiel ist kein AAA-Titel, dafür spricht auch der Verkaufspreis. Doch was heißt Retro in diesem Fall? Ältere Spieler, denen die Gothic-Reihe noch geläufig ist, werden sich an diese sogleich zurück erinnert fühlen. Das Spiel scheint auf den ersten Blick grafisch genau daran angelehnt. Dafür sprechen nicht nur die „antiken“ Texturen, sondern als eines von vielen Beispielen die Karte. Diese ist sehr einfach strukturiert, es gibt keine „Gehhilfen“. Man muss sich an Punkten in der Spielwelt orientieren, um seinen Weg zu finden. Die Bewegungen der NPCs wirken sehr hakelig, meistens laufen diese nur von Punkt A nach Punkt B und danach wieder zurück. Man fühlt sich unweigerlich in die frühen 2000er Jahre zurückversetzt. Das Spiel läuft zwar insgesamt recht flüssig und stabil, die Anleihen an alte RPG-Zeiten sind in jedem Falle gewollt. Darüber ob die Macher Gothic-Fans sind, lässt sich nur spekulieren. Der Hauptcharakter bewohnt einen Leuchtturm, was ja ein Running Gag in der Serie war.
Die Spielwelt selbst kann trotz grausiger Grafik stellenweise überzeugen. Mysteriöse magisch-technische Artefakte, die jedoch leider keinen großen Nutzen haben, sorgen für eine ganz eigentümliche Atmosphäre. Die gesamte Welt ist sehr religiös orientiert. Vieles gilt als heilig. Alles scheint von Magie durchzogen zu sein. Die Geschichte hat ihre Momente, bleibt jedoch nur selten längere Zeit am Stück spannend. Die Quests sind im Großen und Ganzen recht gewöhnlich: finde dies, sammle jenes. Nach einer erfolglosen Mission landet der Held als Schiffbrüchiger bei seinem Stamm. Von diesem wird er erst einmal runtergemacht, da er die Erwartungen nicht erfüllen konnte. Dass er noch lebt, wird wahrgenommen, aber nicht unbedingt gutgeheißen. Männer und Frauen sind gleichgestellt, martialische Furien brüllen einen auch gerne mal an. Der eigene Leuchtturm wird aufgrund seines Versagens vom Stamm gepfändet. Als Obdachloser gilt es nun, sich seinen Platz zurück zu erobern. Dafür muss man sich einer Fraktion anzuschließen.
Teilweise, um den Vergleich weiter zu führen, ist das Spiel noch einfacher strukturiert als Gothic 3. Waghalsige Sprünge können nicht ausgeführt werden um noch das letzte Easter-Egg zu erreichen. Schrägen müssen auf den dafür vorgesehenen Wegen erreicht werden. Zumindest kann man so nicht aus großer Höhe herunterfallen. Wer schwimmen gehen will, geht jedoch baden. Leitern dürfen leider auch nicht erklommen werden.
Die Spielmechanik erinnert dadurch auch insgesamt eher an Knights Of The Old Republic beziehungsweise das optisch sehr schön gemachte Witcher 2. Nach ca. zwei Stunden Spielzeit lässt sich die Welt jedoch frei erkunden. Viel geboten bekommt man jedoch leider nicht. Sammelwütige Spieler werden sich wohl schnell langweilen. Zwar gibt es ganz klassisch Pilze, Beeren und Fische zu sammeln bzw. fangen, doch die Anzahl der Items hält sich in Grenzen. Die wenigsten Häuser können betreten werden. Einbruchsserien wie im zuvor genannten Titel scheitern bereits am Betreten des ausgewählten Objekts.
Es gilt, sich die wenigen nachwachsenden Ressourcen gut zu merken. Hunger und Durst sind neben Schlafmangel und Krankheiten die größten Feinde. Wegrouten sollten genau berechnet werden, um diese auch schaffen zu können, sprich um lebend anzukommen. Wasser und Nahrung werden ständig benötigt. Die Bedürfnisse werden am unteren linken Bildschirmrand angezeigt, worauf man ständig ein Auge haben sollte. Alle Gegner erscheinen übermächtig und die Kämpfe dauern sehr lange. Immer wieder muss man sich zurückziehen, um sich zu regenerieren. Die Flucht zu ergreifen, ist nicht der letzte Ausweg, sondern gehört einfach mit dazu. Das Kampfsystem ist ebenfalls sehr einfach gehalten. Bei Schwertkämpfen ist nicht mehr als Verteidigen und Zustechen drin. Als Waffen dienen neben Stichwaffen noch simple Schusswaffen. Ansonsten lassen sich, findet man genug Mana, noch einige Zauber ausführen. Doch auch das Magie-System ist einfach gehalten.
Den Survival-Aspekt hat sich Outward groß auf die Fahnen geschrieben. Kritisch wird es beispielsweise, wenn die Sonne sich schlafen legt und kein Brennstoff für die Laterne oder Fackel mehr vorhanden ist. Dann sollte man es der Sonne gleich tun und sich schlafen legen. Den Weg im Dunkeln zu finden, wird somit, wie im echten Leben, zum Glücksspiel. Tag- und Nachtwechsel treten recht plötzlich ein. Die Wetterverhältnisse ändern sich nicht weniger gesittet. Plötzlich gerät man ungefragt in einen heftigen Schneesturm, obwohl man seine Winterjacke noch im Schrank daheim hat. Das führt zu Erkältungen. Die Folge davon ist, dass man krankheitsbedingt aus- beziehungsweise bewusstlos umfällt. Wer sich schon immer Don’t Starve in 3D gewünscht hat, wird seine helle Freude an Outward haben. Ist man gerade mal wieder sehr durstig, sinkt die maximale Ausdauer, knurrt der Magen schon hörbar, nimmt die maximale Gesundheit schneller ab. Sich dann noch mit Gegnern anzulegen sei nur Kamikaze-Piloten empfohlen. Zumindest muss man nicht ständig auf Toilette rennen. Dummerweise vergammelt das gesammelte Essen mit der Zeit auch noch. Genug Feuerholz sollte ebenfalls immer im Rucksack sein. Apropos Rucksack: Das Taschensystem ist am Anfang etwas verwirrend. Man kann mehrere Behältnisse mit sich herumführen. Items sind zwar auch nach Kategorien wie Kleidung oder Essbares geordnet, jedoch muss man die Items zwischen Rucksack und Tasche umschichten, will man den Überblick behalten. Dieses ständige nach etwas Suchen verstärkt die ein oder andere Panikattacke zusätzlich, ist man gerade mal wieder kurz vorm Umkippen.
Out-of-date-ward
Dem reinen Überleben ordnen sich alle anderen Aspekte im Spielgeschehen unter. So ist die Sprachausgabe nur rudimentär vorhanden. Etliche NPCs bleiben schweigsam. Die Dialoge selbst bieten oft nur wenige Optionen, welche lediglich dazu dienen, das Tagebuch mit neuen Quests zu füllen. Es lohnt sich jedoch alle NPCs abzuklappern, da sich die Geschichte ansonsten nicht entwickeln kann. Insgesamt ist Outward dadurch sehr linear aufgebaut. Die Handlung ist weitläufig vorgegeben, Nebenquests sind rar gesät. Das Hauptziel heißt am Leben zu bleiben, worauf man in den Dialogen auch immer wieder hingewiesen wird. Zumindest kann man zu jeder Zeit speichern, was dringend empfohlen wird.
Werte wie Angriff und Verteidigung sind nochmal unterteilt, daneben gibt es noch einige diverse Fähigkeiten. Insgesamt ist das Werte-Menü recht übersichtlich. Darüber hinaus gibt es drei Arten von Fähigkeiten: aktive, passive und kosmetische. Die ersten beiden ähneln denen klassischer Rollenspiele, letztere vereinen alles, was nicht in die ersten beiden Kategorien fällt. Verschiedene Lehrer bringen dem Helden gegen genug Silber neue Fähigkeiten bei.
Handwerk hat in Outward goldenen Boden: verschiedene Dinge lassen sich herstellen, dabei kann auch wild herum probiert werden was alles so machbar ist. Man findet zwar immer wieder Anleitungen und Rezepte. Besonders komplex ist das Crafting-System jedoch nicht, irgendwelche besonderen Spezialrüstungen lassen sich nicht kreieren. Es geht auch hier nur um das grundlegend Notwendige. Kleidung muss nicht schön sein, sie soll nur schützen. Essen muss nur satt machen. Lagerfeuer dienen als Kochstellen. Sich gesund schlafen funktioniert nur bedingt, schläft man zu lange, knurrt der Magen abermals. Daher am besten vor dem Nickerchen noch einen Blick auf die Vorräte werfen. Dankbarerweise warnt das Spiel davor, zu verschlafen. Die Warnung, dass man vom Schlaf aufgrund Dehydration in die Bewusstlosigkeit gleiten würde, sollte man nicht ignorieren. Begibt man sich durch unfreiwillig einmal wieder in die Horizontale, wird man mit surrealen Zwischensequenzen „belohnt“ und erwacht an gänzlich anderer Stelle, was einen zurückwerfen oder aber auch manchmal weiterbringen kann.
Ebenfalls Retro ist der Splitscreen. Hier darf man, wie früher üblich auf dem vertikal geteilten Bildschirm mit zwei Gamepads die Spielwelt zusammen erobern. Das Ganze funktioniert auch über Netzwerk. Und das scheint der eigentliche Clou des Spiels zu sein. Da man allein gegen die Monster kaum eine Chance hat, ist es durchaus sinnvoll, diese zu zweit zu attackieren.
Outward wurde offensichtlich für den PC entwickelt. Die Steuerung wurde jedoch ganz gut an die Konsole angepasst. Die Menüs, insbesondere die Schriftzüge, sind jedoch viel zu klein geraten. Es stehen mehrere Sprachen zur Auswahl. Die deutsche Sprachausgabe ist leider nicht so überzeugend.
Fazit
Outward bereitet wohl nur einer sehr speziellen Spielergruppe wirkliches Vergnügen. Der Frustfaktor überwiegt insbesondere bei den Kämpfen und es gibt wenig zu entdecken. Der Begriff „Open World“ darf nicht zu ernst genommen werden. Alleine hat man kaum eine Chance zu überleben. Das Spiel ist wohl dazu gedacht, es zusammen mit einem Freund oder einer Freundin zu meistern.
Positiv
- interessante Spielwelt
Negativ
- kein echtes Open World
- insgesamt von allem zu wenig
Es gibt noch keine Kommentare.