Cyberpunk 2077 Test – Besser als sein Ruf!

Cyberpunk 2077 war wohl die größte Hoffnung und zugleich zum Release die größte Enttäuschung für alle Fans von Action-Rollenspielen. Lässt man die letzte Konsolengeneration aber außen vor, ist das Spiel mittlerweile besser als sein Ruf.

Es ist kein Zufall, dass unser Test zu Cyberpunk 2077 von CD Projekt RED erst rund ein halbes Jahr nach dem Release erscheint Denn zum Release hätte man wohl allenfalls eine Preview zu dem schreiben können, was Cyberpunk 2077 eines Tages werden soll. Doch nun, einige Patches später, ist die Zeit reif, um einen realistischen Blick auf das Spiel zu werfen. Ist Cyberpunk 2077 mittlerweile besser als sein Ruf? Wir meinen ja! Warum? Das erfahrt ihr jetzt!

Worum geht es in Cyberpunk 2077?

In Cyberpunk 2077 schlüpfen wir in die Rolle von V. Wer V ist, liegt in unserer Hand. Im Charaktereditor bestimmen wir Geschlecht, Aussehen und Herkunft. Hat V sein Leben auf der Straße verbracht, oder ist er /sie doch angehörige/r eines großen Konzerns oder doch eher eines freiheitsliebenden Nomadenvolkes? So oder so wird sich V schon recht bald seine Brötchen als Söldner verdienen. Sein Revier ist die Gegend in und um die futuristische Metropole Night City.

Spoiler-Warnung:
Im nächsten Absatz folgen leichte Story-Spoiler für die ersten Spielstunden

Doch als ein Auftrag völlig aus dem Ruder läuft, wird V mit der Persönlichkeit des legendären Rockstars und Rebellen Johnny Silverhand infiziert, der ihn fortan auf seinem Weg begleitet und V in einen Konflikt mit einem mächtigen Gegner führt. V kämpft um sein Leben, doch um dieses zu retten, braucht er Verbündete und Informationen, an die nur sehr schwer heranzukommen ist.

Wie schlimm sind die technischen Probleme von Cyberpunk 2077?

Wir beginnen direkt mit der wohl brennendsten Frage zum Spiel und haben als Antwort eine gute und eine schlechte Nachricht für euch.

Die Schlechte Nachricht:
In Cyberpunk 2077 wimmelt es auch nach diversen Patches immer noch von zahllosen Glitches und Bugs. Mal öffnet sich eine Auto-Tür wie von Geisterhand, mal versinkt ein Passant im Boden und mal wird die Tonspur eines Videos nicht abgespielt. Weitere Beispiele gefällig? Mal lässt sich die Ansicht im Fahrzeug nicht umstellen, mal lassen sich frei herumliegende Gegenstände nicht aufnehmen oder Waffen schweben in der Luft herum. Diese Aufzählung könnten wir noch um eine ganze Reihe an weiteren Beispielen ergänzen.

Die gute Nachricht:
Die Auswirkung dieser Fehler auf das Spielgeschehen sind sehr überschaubar. Die meisten Fehler sind eher Kuriositäten, die wir nur am Rande wahrnehmen. Zu Abstürzen kam es bei uns nur sehr selten und Quests sowie Nebenmissionen funktionierten ohne nennenswerte Zwischenfälle.

Ein paar Systeme im Spiel sind zwar nicht defekt, funktionieren aber auch nicht optimal. Ein prominentes und bereits viel diskutiertes Beispiel ist das Polizeisystem. Zum Release erschienen Polizisten gerne unvermittelt in unmittelbarer Nähe zum Spieler, selbst wenn dieser sich in eigentlich unzugänglichen Arealen aufhielt. Hier wurde mittlerweile deutlich nachgebessert. Dennoch lassen sich die Gesetzeshüter noch immer lächerlich einfach abschütteln. Ein Fahndungslevel der Stufe 4? IN GTA V ein Grund zur Sorge, aber nicht in Cyberpunk 2077! Wir laufen einfach unbehelligt ein Stück die Straße herunter und biegen um eine Ecke und nach wenigen Sekunden ist es fast so als wäre nichts gewesen.

Wie in manch anderer Open World, muss man sich auch in Cyberpunk 2077 darauf einstellen, dass Fahrzeuge oder Passanten völlig unvermittelt in unmittelbarer Nähe aufpoppen oder verschwinden. Dies geschieht im Vergleich zu einem GTA V allerdings wesentlich häufiger und auffälliger.

Seltener als in vielen anderen Spielen sind hingegen Probleme in den berühmt berüchtigten Begleitermissionen. Unsere Schützlinge, die wir zu ihrem jeweiligen Ziel geleiten sollen, folgen uns in aller Regel recht gut und stürzen sich nicht, wie man es aus vielen anderen Titeln kennt, wie Lemminge in den sicheren Tod.

Weiter Ärgernisse finden sich in der Spielsteuerung.

Die Spielsteuerung – Leitern des Grauens!

Die Steuerung unserer Spielfigur funktioniert in Cyberpunk 2077 tadellos, zumindest bis wir auf eine Leiter stoßen. Wer erinnert sich nicht an das absurde Gefühl, weil man zum Beispiel in GTA Vice City nicht schwimmen oder in The Witcher 2 nicht springen konnte? Dieses Gefühl taucht in Cyberpunk 2077 immer dann auf, wenn eine Leiter zum fast unüberwindlichen Hindernis wird. Immer wieder rutschen wir beim Versuch die Kante zu überwinden ab und fallen in die Tiefe. Zwar wurde in einem ersten Patch bereits etwas nachgebessert, aber behoben ist dieses Problem noch lange nicht.

Fahrzeuge fahren sich wie ein Backstein auf Schmierseife. Auch beim Beschleunigen und Abbremsen ist viel Fingerspitzengefühl gefragt, damit die Räder nicht durchdrehen oder wir eine Pirouette auf den Asphalt legen. Da ist man gerne auch mal einfach nur Beifahrer. Doch zumindest gibt es einen deutlich spürbaren Unterschied bei den Fahreigenschaften der einzelnen Fahrzeuge. Das kann nicht jede futuristische Open World von sich behaupten. Ja, wir meinen dich, Watchdogs: Legion!

Wie gut ist die Open World von Cyberpunk 2077

Aus unserer Sicht zeichnet sich eine gute Open World vor allem durch eine starke Immersion aus. Je seltener die Illusion sich durch eine reale Stadt oder Welt zu bewegen gestört wird und umso mehr wir uns in das Leben unserer Hauptfigur hineinversetzen können, um so besser!

Gemessen an diesem Qualitätskriterium bekommt die Open World von Cyberpunk 2077 von uns, in Schulnoten ausgedrückt, eine Zwei Minus.

Optisch macht das Spiel alles richtig. Auf den Straßen herrscht ein reges Treiben. Fahrzeuge, Gebäude, Kleidungsstil der Passanten, alles wirkt stimmig und fügt sich perfekt in das Cyberpunk-Setting. Vor den Toren der Stadt warten verlassene Siedlungen, gewaltige Mülldeponien und noch so manches mehr. In Nighty City selbst finden wir Bars, dunkle Gassen, Händler, Märkte, finstere Hinterhöfe und vieles mehr. Für Abwechslung ist also gesorgt, ohne dass diese unglaubwürdig wirkt. Das Leben findet dabei an vielen Stellen nicht nur auf einer Ebene statt, sondern auch in Hochhauskomplexen, auf höher gelegenen Ebenen oder im Untergrund. Das macht Night City zwar recht unübersichtlich, aber zugleich auch realisitsch. Nicht zuletzt bietet unser Unterschlupf ein echtes Gefühl von Zuhause, auch wenn es objektiv betrachtet nur wenig Grund gibt, ihn regelmäßig zu besuchen.

In der Open World warten außerdem zahlreiche interessante Charaktere, Auftraggeber und Fraktionen auf uns, denen wir immer wieder begegnen und die ihre ganz eigenen Geschichten zu erzählen haben. Viele dieser Geschichten werden über unser Smartphone initiiert, über das wir auch immer wieder unsere Kontakte erreichen. Aber auch sonst stecken die Straßen von Night City voller Geschichten und abwechslungsreicher Aufgaben für uns.

Ja, die Welt von Cyberpunk 2077 hat viel zu bieten und wirkt optisch sehr stimmig, aber mit Blick auf die Details offenbart sich dann doch noch die eine oder andere nicht unerhebliche Schwäche.

Wer durch die Straßen streift, stellt schnell fest, dass sich hinter dem schönen Schein oft nicht viel verbirgt. Auch wenn vor der Pizzeria reger Betrieb herrscht und Kunden es sich gerade sichtlich schmecken lassen, bedeutet das noch lange nicht, dass auch wir hier unseren Hunger stillen können. Offene Türen sind in Cyberpunk 2077 so selten wie sinnvolle Kommentare von Passanten, die wir ansprechen. Der Verkehr auf den Straßen ist oft auffallend gering. Fahrzeuge sind bisweilen fast nur am Horizont zu sehen.

Auch kleine Bugs, das unausgereifte Polizeisystem oder die grauenhafte Fahrzeugsteuerung stören immer wieder die Immersion.

Insgesamt liefert die Open World von Cyberpunk 2077 aber eine hervorragende Illusion, die sich mit anderen Top-Titeln wie beispielsweise Assassins Creed Valhalla absolut messen kann.

Wie viele Missionen bietet Cyberpunk 2077?

Nimmt man Haupt- und Nebenmission zusammen, bietet Cyberpunk 2077 aktuell ca. 100 verschiedene Missionen und Aufträge. Weitere werden vermutlich noch folgen.

Noch positiver als die reine Zahl ist allerdings der gebotene Inhalt. Insbesondere die Nebenmissionen suchen ihres gleichen. Wo wir in anderen Open Worlds oft nur auf stumpfe Fetch Quests (sammle einen Gegenstand und bring ihn dem Auftraggeber) geschickt werden, bietet uns Cyberpunk 2077 jede Menge Abwechslung und immer wieder packende Geschichten.

Das Storytelling knüpft oft direkt an die Hauptmissionen an und wir bekommen die Möglichkeit, die Geschichten einiger der interessantesten Charaktere und potenziellen Romanzen, weiter zu verfolgen. Dabei entspinnt sich mehr als ein Handlungsstrang, für den die Bezeichnung „Nebenmission“ schon fast eine Beleidigung ist.

Wir lösen dramatische Kriminalfälle, begeben uns auf spektakuläre Raubzüge, tauchen in die Vergangenheit unserer Freunde ein oder üben blutige Rache, um nur einige Beispiele zu nennen. Immer wieder wird uns die Entscheidungsfreiheit gegeben, den Verlauf von Dialogen oder das Ende der Geschichte selbst zu bestimmen. Übergeben wir einen Bösewicht der Justiz oder verhängen wir die Strafe selbst? Welche Informationen geben wir preis und welche behalten wir vielleicht lieber für uns? Wollen wir lieber Frieden oder wollen wir Rache? Und sind wir Bereit uns auf einen Flirt einzulassen?

Die Nebenmissionen mit ihren äußerst ausgefeilten Geschichten und toll ausgearbeiteten Charakteren gehören wie auch die Hauptmissionen zu den ganz großen Stärken von Cyberpunk 2077.

Wer sich nicht nur auf die Hauptgeschichte konzentriert, sondern auch viele Nebenmissionen, Aufträge und andere Open World Events wahrnimmt, der kann in einen Durchgang auch mal über 50 Stunden investieren.

Ist Cyberpunk 2077 empfehlenswert? Mein Fazit:

Nach dem desaströsen Release hat Cyberpunk 2077 auf Goggle Stadia, PC und den Konsolen der neuen Generation mittlerweile einen technischen Zustand erreicht, der trotz zahlreicher verbliebenen kleineren Bugs zumindest akzeptabel ist.

Die Crafting-, Shooter- oder Stealth-Mechaniken sind eher durchschnittlich, die Fahrzeugsteuerung bisweilen eine echte Qual und tragen wir die Klamotten mit den besten Werten, sehen wir aus, als hätten wir uns willkürlich aus dem Fundus eines Billigladens bedient.

Das alles klingt nicht berauschend und trotzdem sollte sich dieses Spiel niemand entgehen lassen, der sich zumindest ein bisschen mit dem Cyberpunk-Setting anfreunden kann. Warum? Weil die Geschichten, die es in Night City zu erleben gibt, zum Besten gehören, was man in Action-Rollenspielen geboten bekommt.

Cyberpunk 2077 bietet uns viel Entscheidungsfreiheit. Angefangen vom Geschlecht, über unseren Hintergrund bis hin zur Spielweise. Wollen wir schleichen, hacken, oder ballern? Wollen wir unsere Gegner nur betäuben oder bereiten wir ihnen ein brutales Ende? Und auch im Rahmen von Haupt- und Nebenmissionen müssen wir Entscheidungen treffen, die teilweise erst deutlich später spürbare Konsequenzen nach sich ziehen. Aber genau dadurch fühlen sie sich bedeutsam an! Denn selbst wenn wir mit einem Schnellspeicherstand verschiedene Varianten durchprobieren, wird sich die letzte Konsequenz unserer Entscheidung unter Umständen erst sehr viel später offenbaren.

Viele der Geschichten entwickeln einen ungewöhnlichen Tiefgang, werfen moralische Fragen auf und einige Handlungsstränge lassen uns immer mal wieder auf das bereits Erlebte zurückblicken. In Kombination mit den denkwürdigen und toll ausgearbeiteten Charakteren, die uns auf unserer Reise begleiten, schafft Cyberpunk 2077 so jede Menge Momente, die einem im Gedächtnis bleiben.

Wer also tolle Geschichten liebt und über kleinere Bugs und Schwächen im Gameplay hinwegsehen kann, der sollte sich dieses Spiel nicht entgehen lassen. Cyberpunk 2077 ist mittlerweile deutlich besser als sein Ruf!