Eines der am sehnlichsten für die Playstation 3 erwarteten RPG-Titel hat es in die Regale der Händler geschafft: Persona 5 ist der aktuelle Teil einer Spielereihe, deren Anfänge bis in die frühen Neunziger Jahre zurück reichen. Playstation 4 Besitzer müssen nicht in die Röhre gucken, der Titel ist auch für die aktuelle Konsolengeneration von Sony verfügbar. Ob das so eine gute Idee war, soll dieser Test klären.
Tu das Tutorium
Die Grafik auf der Playstation 4 hält sich in punkto Detailreichtum doch etwas zurück. Die Texturen sind teilweise verwaschen, so dass ich die zahlreichen Schilder nicht entziffern lassen, selbst wenn man Hiragana und Katakana beherrscht. Dazu muss man sich jedoch vor Augen halten, dass das Spiel vermutlich zuerst für die dritte Generation der Sony-Konsolen entwickelt wurde und danach erst auf die Playstation 4 portiert wurde. Die Figuren sind hingegen detailliert animiert. Optisch ist Persona 5 an das 2012 in Europa für Playstation 3 und XBOX 360 erschienene Catherine angelehnt. Die Comicoptik wirkt sehr bunt, fast schon „laut“. Die Sprachausgabe ist nicht komplett implementiert. Das verwundert angesichts der Anzahl der Dialoge jedoch nicht ernsthaft. Wird gesprochen, wirkt das in jedem Falle originell und unterstützt die oft überzeichneten Charaktere. Das Englischlevel ist nicht zu anspruchsvoll, erfordert jedoch streckenweise erhöhte Aufmerksamkeit.
Auf den ersten Blick, zieht man den Vergleich zu den beiden Vorgängern, hat sich groß nichts geändert. Dass es von der Geschichte wieder episch werden würde, dürfte der Wunsch der meisten Fans gewesen sein. Dank der langen Entwicklungszeit hat dieses Wort nun eine Neudefinition erfahren. Nach zwei Tagen Daddeln ist man gefühlt erst durch das Tutorium durch und selbst danach werden vereinzelt immer noch Tipps eingeblendet.
Insgesamt ist das Spiel sehr linear und komplett auf die epische Story fixiert. Die eigene Entscheidungsgewalt ist daher nur rudimentär vorhanden, viele Ereignisse sind vorprogrammiert – im wahrsten Sinne des Wortes. Oftmals kann nur aus einer Anzahl von wenigen Antworten in Dialogen gewählt werden. Dabei ist es im Grunde egal, wie man sich entscheidet. Es geht in jedem Fall weiter. Persona 5 orientiert sich am Jahreskalender. Schulferien, Klausurtermine, Feiertage werden dem Spieler quasi aufgezwungen. Regulär hat man nach der letzten Schulstunden zumindest etwas Zeit, durch die Stadt zu schlendern. Das dient aber oft nur dem Zweck, sich mit Waffen, Rüstungen und Gesundheitstränken einzudecken. Die vielen Sidestories, die grade Teil 3 der Reihe ausgezeichnet haben, wurden etwas reduziert.
Immer nur Ärger
Der Held des Spiels ist abermals ein Schüler, der nach Tokio „strafversetzt“ wird. Er ist mit dem Gesetz in Konflikt geraten und kommt in die Obhut eines grummeligen älteren Cafébesitzers. Hier gilt es nun das Beste aus der misslichen Lage zu machen. Ein paar neue Freunde sind schnell gefunden, die Umgebung wird vertrauter, man etabliert sich zunehmend.
Dabei wird die Geschichte von Anfang an von hinten aufgerollt. Dummerweise landet der Held gleich zu Beginn mit heftigsten Anklagen, unter anderem einem Mordvorwurf, auf der Polizeiwache. Eine Ermittlerin befragt den Delinquenten zu seiner Geschichte. Von da an wird die Geschichte bis zur Verhaftung gespielt. Immer wieder landet man im Verhörzimmer. Diese Kalendersprünge werden durch Erfolge bzw. bestimmte Ereignisse im Spiel ausgelöst. Die Idee ist an und für sich ein Novum der Reihe, doch fällt dadurch die bereits erwähnte Linearität doppelt ins Gewicht.
Hintergrund der Geschichte sind Zugunglücke, bei denen die Bahnführer plötzlich ausrasten und absichtlich die Züge dermaßen beschleunigen, dass diese von den Schienen abkommen, somit Insassen und Wartende töten. Das ist, kennt man die Tokioter Metro, ein Schlag ins Gesicht eines jeden Japaners. Verspätungen in Tokio kommen alle Schaltjahre vielleicht einmal vor, im Normalfall lässt sich die Uhr nach den Fahrplänen stellen. Die Metro ist das Herz der Stadt. Und ja, Angestellte, welche zu Stoßzeiten Passagiere in die Züge pressen sind keine urbane Legende. Insgesamt „spielt“ das Game sehr mit traditionellen japanischen Werten.
Ein Sportlehrer, der seine Schüler psychisch unter Druck setzt und auch körperlich misshandelt, soll zu Fall gebracht werden. Plötzlich findet sich der Spieler in einer zweiten Welt wieder, die die Gedankenwelt des egozentrischen Lehrers verkörpert. Es gilt dabei, sich durch die Ebenen der Spielwelt durchzuboxen und das Herz des Penälers, in diesem Fall in Form eines Pokals, zu stehlen. Ist das geschafft, ereilt den Bekehrten in der realen Welt ein Sinneswandel und im Falle der Sportskanone gesteht diese alle seine Schandtaten ein, inklusive einem Rücktrittsgesuch an den Direktor. Das Team, bestehend aus insgesamt vier Persönlichkeiten, beschließt nun die Welt zu verbessern und bei noch mehr Charakterschweinen einen „change of hearts“ hervorzurufen. Genug Kandidaten gibt es ja: angefangen vom Schulhofschläger bis hin zu fragwürdigen TV-Persönlichkeiten finden sich immer wieder Menschen, die eine Grundreinigung ihres Egos vertragen könnten. Ein aufmerksamer Mitschüler hat netterweise gleich eine Website dazu ins Leben gerufen, auf der abgestimmt werden kann, wem zuerst und wem zuletzt das Herz umgekrempelt werden soll.
Das Team besteht aus dem Klassenclown, einer strebsamen Mitschülerin, sowie einer Katze, welche im Dungeon gefunden wird und sich in ein Auto verwandeln kann. Die unterschiedlichen Charaktere sorgen natürlich immer wieder für Querelen untereinander, das erfordert viel Vermittlungsgeschick des Teamleaders. Morgana, so heißt der vierbeinige Begleiter, möchte natürlich nichts verpassen und sucht sich ihr Plätzchen im Schulrucksack des Protagonisten. Das Katzen die wahren Herrchen bzw. Frauchen sind ist spätestens seit dem Trickfilm Felidae (1994) bekannt. So gibt es dann keine Crepes zu kaufen, denn die kluge Katze weiß ja, dass man dafür nicht der Typ sei.
Örtlichkeiten gibt es mehr als genug, diese werden erst im Laufe der Zeit freigeschaltet. Dabei ist die Bewegungsfreiheit oftmals stark eingeschränkt, die fixe Kamera verhindert ein echtes Erkunden der Locations, ein beengendes Gefühl macht sich breit, fast so wie im echten Tokio. Highlight des Spiels ist die Shibuya-Bahnstation, der Alptraum eines jeden Nicht-Japaners in Tokio. Mehrere Linien laufen hier auf mehreren Ebenen zentral zusammen. Das Ganze hat gigantische Ausmaße, der Münchner Hauptbahnhof ist ein Witz dagegen. Außerhalb der Station steht eine Hundestatue, mit echten Namen „Hachiko“, im Spiel „Buchiko“ genannt. Die Geschichte dahinter dürfte jedem Japaner bekannt sein. Andere Teile der Stadt sind hingegen frei erfunden.
Enge, verzweigte Straßen sind für die Orientierung nicht grade förderlich, und die gibt es en masse. Onsen, Izakayas und ähnliche recht typisch japanische Vergnügungsplätze finden sich überall in der Spielwelt. Es wurde an alles gedacht, dass einen „Westerner“ richtig tief in Tokio eintauchen lassen möchte. Jeder Ort erfüllt einen Zweck: Buchläden und Bibliotheken sorgen dafür, dass die Wissensfertigkeit nicht brach liegen bleibt, Einkäufe in Supermärkten helfen dabei, dass die Versorgung mit Healthpacks gewährleistet bleibt oder füllen, durch Annahme von Aushilfsjobs, die Teamkasse wieder auf.
Einen Großteil seiner Zeit verbring man selbstredend in der Schule. Hier wird immer wieder das eigene Wissen getestet. Durchgängig durch alle Schulfächer, Sport einmal ausgenommen, darf man sowohl sein Allgemeinwissen als auch eventuell vorhandene Einblicke in die japanische Kultur unter Beweis stellen. Möchte man, weil es beispielsweise grade regnet, das Haus einmal nicht verlassen, kann man den Fernseher anwerfen und sich per Homeshoping mit dem nötigsten eindecken.
Dungeons & Demons
Die „Mementos“ genannte Zweitwelt, welche dem Normalsterblichen verborgen bleibt, bietet keine großen Unterschiede zu denen der Vorgänger. Die Stoßrichtung lautet abermals hinunter. Die Dungeonlevel sind noch riesiger als bei Persona 3, das spiegelt nur die Gigantomanie des aktuellen Teils wieder. Danke des Katzenautos bewegt man sich gefühlt doppelt so schnell wie früher. Die Ladezeiten sind dabei angenehm kurz. Saverooms und eine Schnellreiseoption sorgen dafür, dass man zügig zurück an den zuletzt erreichten Punkt im Level kommt. Die Spielwelt gibt sich stellenweise dreidimensionaler als in den Vorgängern. Jumpsequenzen fehlen dabei ebenso wenig. Begrenzt wird der Abstieg durch die bereits erwähnte Website. Erfolge im Dungeon sprechen sich in der realen Welt herum, die Popularität der „Phantom Thieves of Hearts“ steigt an, Mauern verschwinden dadurch, neue Level eröffnen sich dem Team. Ein Infiltrationslog hilft dabei, das eigentliche Ziel nie aus den Augen zu verlieren und macht ein wenig Mut, dass man ja doch zumindest ein bisschen was weggeschafft hat.
Monster, abermals Schatten genannt, sollten nach Möglichkeit von hinten überrumpelt werden. Dazu spielt man mit diesen Verstecken. Frontale Angriffe verschaffen dem Spieler nur Nachteile. Ist der Überraschungsangriff gelungen, beginnt der rundenbasierte Kampf. Gekämpft wird Japan-RPG typisch abwechselnd mit allen Mitgliedern des Teams. Schuss-, Hieb- und Stichwaffen kommen dabei zum Einsatz. Ann bevorzugt eine Peitsche. Das in Verbindung mit ihrem Kostüm lässt sie aussehen, als wäre sie eigentlich grade auf dem Weg zu einer SM-Party. Maskerade wird insgesamt groß geschrieben und das macht Persona 5 äußerst schick.
Hinzu kommen die dem Spiel Namen gebenden Personas. Diese sind Teilaspekte des eigenen Charakters. Das Ganze lehnt sich, wie in den Vorgängern bereits vorhanden, an die Psychologie von C. G. Jung an. Diese Entitäten unterstützen den Spieler im Kampf. Es können mehrere nebeneinander verwendet werden. Sie zeichnen sich durch Spezialangriffe aus, welche im Optimalfall auf die Schwäche der Gegner einwirken und diese somit schneller zu Fall bringen. Liegt der Gegner geschwächt am Boden, darf noch einmal zugelangt werden. Die Kämpfe sind dadurch taktischer als in den Vorgängern. Eine Rush-Funktion gibt es ebenso. Macht man alles richtig, kann man die Auseinandersetzungen stark verkürzen. Personas sind, wie die Charaktere selbst, in der Lage sich hoch zu leveln und können neue Attacken erlernen. Viele der Personas wurden aus den Vorgängern übernommen. Sie lehnen sich teilweise an das Tarot-Kartendeck an (Fool, Hierophant, etc.), entsteigen aber sämtlichen Kulturkreisen. Das reicht von sumerischen Dämonen, bis hin zu Märchen der Gebrüder Grimm. Ihre Anzahl ist beträchtlich.
Die Gegner können, wenn sie fast bezwungen sind, zum Aufgeben überredet werden. Erlaubt man ihnen mit dem Leben davonzukommen, lassen sie entweder schnöden Mammon oder seltene Items springen. Überzeugt man sie, dass doch noch etwas Gutes in ihnen steckt, verwandeln sie sich in Personas und stellen sich somit in die Dienste des Protagonisten. Das gab es in den frühen Shin-Megami-Teilen bereits zuvor. Hierbei gilt es die Psyche des Schattens mit klugen Antworten zu durchdringen um diesen für sich zu gewinnen. Gelingt das nicht, geht der Kampf weiter. Dann hat man es sich mit dem Dämon halt verscherzt.
Spezialpunkte werden für Persona-Attacken benötigt. Zwar kann man diese teilweise durch Einnahme verschiedener Präparate wieder herstellen, doch wird der Aufenthalt im Dungeons dadurch begrenzt. Schläft man eine Nacht durch, werden sie automatisch wieder aufgeladen. Soziale Interaktionen mit dem eigenen Team, sowie NPCs verstärken das Band zu diesen. Dadurch werden eigene Personas stärker und geben mehr Erfahrungspunkte. Der Velvet Room, inklusive Igor, darf natürlich auch nicht fehlen. Hier können neue Personas durch Verschmelzung bestehender generiert sowie registriert werden.
Minibosse und Endbosse soll niemand vermissen. Insgesamt sind die Kämpfe durch die genannten Optionen vereinfacht, die Langwierigkeit der Kampfzeit von Teil vier wurde wieder besser ausgeglichen. Die Rätsel im Spiel sind nie besonders schwierig, dafür sehr langatmig.
Als waschechter Dieb darf man sich über Schatztruhen hermachen. Dazu bedarf es teilweise eines Dietrichs, welcher in Heimarbeit selbst fabriziert werden kann. Ein drittes Auge sorgt dafür, versteckte Items besser zu finden. Instant Messaging lässt den Kontakt zum Team nie abbrechen, man verbringt insgesamt viel Zeit mit chatten.
Fazit
Atlus hat bei Persona 5 ältere Konzepte wieder aufgegriffen und diese mit dem besten aus Teil 3 und 4 zu einem Meilenstein des Japan-RPGs verschmolzen. Die epische Story packt den Spieler mit Haut und Haar. Die mangelnde Bewegungsfreiheit wird dabei gerne in Kauf genommen. Die Gesamtspielzeit beträgt geschätzte ein bis zwei Jahre, so dass man pro Spielstunde im einstelligen Centbreich landet. Lediglich die, teilweise sehr Heimorgellastigen Musikstücke wiederholen sich ein wenig zu rasch. Ansonsten wurde alles nur erdenkliche richtig gemacht.
Positiv
- wunderbar überzogene Charaktere
- sehr kurze Ladezeiten
- epische Story
- extrem lange Spielzeit
- viele kleinere gute neue Ideen in der Spielmechanik
- gute Übersicht über Spielfortschritte
Negativ
- verwaschene Texturen
1 Kommentar hinzugefügt
DaLi
6. Juli 2017 um 13:27 |
Von den Machern von Persona 5 gibt es jetzt auch den aus dem Spiel bekannten Messenger als kostenlosen Download: https://play.google.com/store/apps/details?id=com.ngreenan.persona5imapp